













Das ist die Geschichte von Martina und den Hunden.
Einen eigenen Hund wollte Martina immer schon haben. Als sie 12 Jahre alt wurde, war es endlich so weit: Yorkshire Terrier Karlchen wurde Teil der Familie! Der Moment, als Martina ihren Vierbeiner zum ersten Mal in die Arme schloss, sollte der Beginn einer bis heute währenden Bindung werden. Den nächsten Hund hat Martina dann in Eigenregie gekauft – mit 14 Jahren!
„Als meine Mutter aus dem Urlaub kam, war Collin halt einfach da“ erinnert sie sich lachend. Mit dem Labradormischling ist Martina auch zum ersten Mal auf den Hundeplatz gegangen und hat mit ihm auf Turnieren gepunktet. Mit Oskar, der dann gezielt zur IPO-Ausbildung (internationale Prüfungsordnung für Gebrauchshunde) angeschafft wurde, ist Martinas Hundesport noch professioneller geworden.
Aber wie läuft das eigentlich im Hundesport? Drill, Härte, Strenge – das war gestern! Heute heißt es Technik, Augenhöhe, Alltagstauglichkeit. In den letzten 15 Jahren hat sich einiges im Hundesport getan. Martina hat diesen Wandel selbst miterlebt: „Das war ja damals schon ein Ding überhaupt als Frau auf den Platz zu gehen!“ entsinnt sie sich. Heute ist Martina selbst Hundetrainerin und zeigt den Teilnehmenden in ihren Kursen wie sie den täglichen Umgang mit ihrem Vierbeiner artgerecht schaffen – und die Teilnehmenden sind fast alles Frauen!
Seit 3 Jahren macht Martina das jetzt schon beruflich – ihren vorherigen Beruf, der pharmazeutisch technischen Assistenz, musste sie aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Schon in ihren frühen Jahren hatte Martina mit der Gesundheit zu kämpfen. Die Diagnose Leukämie traf Martina damals schwer, sie konnte lange gar nicht arbeiten. Sie spricht sehr offen darüber, dass es für sie kaum auszuhalten war, nicht einem Beruf nachgehen zu können, aber ihre gesundheitliche Situation verlangte ihr viel Geduld und Durchhaltevermögen ab. Doch Martina gab nie auf, machte weiter und durchlief erfolgreich eine Transplantation! Das Arbeitsumfeld der Apotheke lag nun hinter ihr und sie begann zusammen mit dem Ehepaar Weinert die Hundetagesstätte und die Pension in Dinslaken zu eröffnen. Hunde hatten sie schließlich schon ihr ganzes Leben und auch während der Krankheit begleitet, sodass Martina in diesem Feld einen Neustart begann.
Heute kann sie ihre zwei Berufe miteinander verbinden: Als ausgebildete Hundetrainerin kann sie ihre medizinischen Kenntnisse durchaus gebrauchen und ihr stählener Geduldsfaden ist ihr im Umgang, egal ob mit den Zwei- oder Vierbeinern, ebenso hilfreich. Und Martina ist lebensfroh! Sie hat hier im PfotenCamp ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und vergisst dabei sogar völlig ihre wöchentlichen Arbeitsstunden zu zählen. Alles was sie weiß ist, dass sie es liebt mit Hunden zusammen zu arbeiten – die sind im Übrigen auch die treueren Männer, sagt Martina.
Über das PfotenCamp Dinslaken erzählt uns Martina, dass das Gebäude früher Mal eine bekannte Diskothek war. „Ach hier hab ich meine Frau damals kennen gelernt“ macht Martina einen Hundebesitzer nach, der sich an frühere Zeiten in diesen vier Wänden erinnert. Das Haus an der Erlenstrasse wurde für das PfotenCamp 2014 saniert und bietet heute für etwa 20 Hunde Platz, die hier tages- oder wochenweise liebevoll untergebracht oder trainiert werden. Das Konzept des Trios schlug dabei ein wie eine Bombe: Schon zwei Wochen nach der Eröffnung der Hundetagesstätte und Pension waren die Hundeprofis ausgebucht. Der Erfolg hielt an, sodass noch heute einige Arbeiten im Haus auf ihre Erledigung warten. Wenn man sich allerdings die Ausstattung mal anschaut, kann man verstehen, dass Herrchen und Frauchen ein gutes Gefühl haben und die tierischen Freunde des Menschen sich hier wohl fühlen. Die Aufenthaltsräume der Tiere fassen fast 20m² und werden hier „Zimmer“ anstatt „Zwinger“ genannt – viele sogar mit Blick auf den Garten. An den Wänden hängen Hundebilder, Hundekalender und Beweisstücke hundesportlichen Erfolgs, auf dem Schreibtisch sieht man den Hundebildschirmschoner, die Hundetasse und das Hundemousepad – hier arbeiten eben echte Hundeliebhaber.
12 Uhr: Auslaufphase! Martina und ihre Kollegin Patricia bereiten alles für den Ausgang vor und die Hunde wissen was ansteht: sie jaulen, bellen, wedeln mit den Ruten, scharren mit den Krallen vor Vorfreude. Montags geht es besonders wild zur Sache. Aber Martina lässt kein Chaos entstehen und ermahnt die lautesten Hunde – alle mit Namen! Im Flur wuseln nun etwa 10 Hunde der kleinen Sorte herum und können es kaum erwarten, nach draußen zu gehen. Wir begleiten die Bande in den Innenhof, wo sich weitere Hundezimmer befinden, die für die Großen. Diese steigen aber ebenso freudig mit ins Gebelle, Gejaule und Gezappel ein, denn auch sie wissen, was jetzt kommt. Mit nun etwa 20 Hunden der unterschiedlichen Rassen geht es dann weiter auf das Außengelände. „3000m² sind das hier draußen“ erzählt Martina, während sie sich einen der krakeelenden, nicht mal kniehohen Hunde unter den Arm klemmt und Richtung Wiese geht. Auf den Sandplatz werden nun die kleinen oder die eher lauffaulen Hunde gelassen und mit den großen und eher laufwütigen Vierbeinern geht es auf den Wiesenplatz. Eine unter freiem Himmel abgesteckte große Wiese bietet den Hunden die Möglichkeit zu spielen, zu laufen, zu bellen, sich zu wälzen oder eben auch zu lösen – all das was ein gutes Hundeleben so ausmacht. Während es auf dem Sandplatz eher quietschend und spielerisch zugeht, toben auf dem Wiesenplatz die Hunde, die einen leicht mal umrennen können. Hier weht das braune, schwarze, helle, lange oder kurze Fell im Wind und Emma, Riko, Dex und der Rest der Horde rennen was das Zeug hält.
Nach etwa 10 Minuten legt sich das wilde Sprinten und Randalieren und Martina kann einige Grundkommandos mit den Tieren üben. Dafür greift sie wie selbstverständlich in ihre Bauchtasche mit den Leckerlies, denn sie trainiert ausschließlich mit positiver Verstärkung. „Also wir gehen hier nach den Prinzipien der Verhaltenstherapie vor: Konditionierung heißt das“, sagt Martina, „wir machen hier eben kein Hexenwerk, sondern halten uns an klare Methoden“. So übt sie immer mal wieder zwischendurch das Abrufen und das Hinsetzen jedes einzelnen Hundes. Dabei bekommt die gerade mal 1,60m große Martina die Aufmerksamkeit des kniehohen Mischlings genauso schnell, wie die der hüfthohen Dogge – „alles eine Frage der Technik“.
Zwischendrin darf aber auch mal gestreichelt, geknuddelt und geschmust werden, dann kann man Martina vor lauter Hunden mit wedelnden Ruten fast gar nicht mehr erkennen. Die Hundefreundin genießt diese Momente sehr, das zeigt ihr strahlendes Lächeln.
Das Besondere bei der Auslaufphase ist die Gruppendynamik, es ist leicht zu beobachten, dass sich die Hunde gegenseitig beeinflussen und sich fast rudelartig verhalten: Es muss nur einer anfangen zu bellen, wenn ein Auto vorm PfotenCamp parkt und alle steigen auf der Stelle mit ein. Das soziale Verhalten innerhalb einer Gruppe kann so viel mehr geschult werden als zuhause – wer hat schon zufällig 9 Hunde daheim, die sich untereinander sozialisieren? „Jetzt hat der Barco zum Beispiel die Finja korrigiert“, schildert Martina, die auf einen Dobermann zeigt, der gerade den Golden Retriever in die Seite gestoßen hat. Da muss Martina dann gar nichts machen, sondern verlässt sich auf das zwischentierliche Tun und Lassen. Dennoch hat Martina immer mindestens ein Auge auf jeden Hund. Wer als Neuling in die Gruppe will, muss eine Probezeit überstehen. Nicht kastrierte Rüden werden übrigens deshalb nicht aufgenommen, weil das für zu viel Unruhe innerhalb der Gruppe führen würde. Jede andere Fellnase kann an einem Probetag das PfotenCamp testen – ein bisschen wie im Menschenkindergarten.
Auf der Wiese nebenan sieht man einige Hindernisse aufgebaut, dort wird das Hundetraining durchgeführt. Der Rasen dieses Platzes ist auch deutlich glatter, denn auf ihm wird trainiert, geübt und gelernt. Und wenn es draußen mal junge Hunde regnet? Dann kann Martina die PfotenCamp-eigene Indoor-Halle nutzen und so auch im Winter die Trainings durchführen. Diese finden für die verschiedenen Klassen in Kleingruppen statt, 6-7 Hund-Mensch-Gespanne werden dann von Martina unterrichtet. „In diesen Gruppen geht es dann wirklich schon um speziellere Aufgaben, die über das Grundgehorsam hinausgehen und den Hund familientauglich, also für Herausforderungen des normalen Alltags umgänglich machen sollen“, lässt uns Martina wissen.
Die Hundeschule ist seit 2015 ein Angebot des PfotenCamps und bietet Hundebesitzenden zusätzlich die Möglichkeit ihren Hund zum Familienhund auszubilden. Die Übungen werden auch regelmäßig im benachbarten Wald abgehalten, um die gewohnte Trainingsumgebung bewusst zu verlassen und alles noch mal in „live“ zu üben. Die Herrchen und Frauchen lernen so, wie sie sich mit ihrem Hund gegenüber anderen Hunden, oder weiteren Waldbesuchenden wie Joggern, Fahrradfahrern oder Eltern mit Kinderwagen zu verhalten haben. Aus ihrer eigenen Erfahrung weiß Martina, wie wichtig diese sozialen Verhaltenskomponenten beim Hund sind und sie will sich damit von der klassischen sportlichen Ausbildung im IPO ganz bewusst distanzieren. Dafür ist der Hund viel zu sehr Teil des (Familien)-Lebens und soll eher der gut erzogene Freund als das dressierte Äffchen des Menschen sein. Martina hat, neben der Betreuung der HuTa- und Pensions-Hunde, 8 solcher Trainingsgruppen. Zu unterschiedlichen Tageszeiten und Wochentagen reicht sie ihr Wissen dann an andere Hundesportler und Hundesportlerinnen weiter.
Das ist also der Alltag der PfotenCamp-Mitarbeiterin. Ihr einzig freier Tag ist der Sonntag und selbst den verbringt sie oft mit den zotteligen Vierbeinern, denn Martina hat ja selbst noch 3 Hunde. Mit den Schäferhunddamen Levi und Jala und dem Terrier Ella wohnt sie übrigens direkt überm PfotenCamp – hier liegen Freizeit und Beruf also auch räumlich nicht weit voneinander entfernt.
Das ist das Leben, für das Martina gekämpft und sich bewusst entschieden hat und es macht ihr unendlich viel Freude.
Text: Sarah Künne