























Mitten in Marxloh, im Norden Duisburgs, liegt die Herbert-Grillo-Gesamtschule. Diese Schule wurde 1994 auf Initiative von vor allem türkischen Familien gegründet. Als die jüngste von 13 Gesamtschulen in der Stadt ist sie Lern- und Lebensort für mehr als 750 Schüler und Schülerinnen. Einige von ihnen haben einen sogenannten besonderen Förderbedarf mit unterschiedlichen Schwerpunkten, was nicht nur einer speziellen fachlichen Zusammensetzung des Kollegiums bedarf, sondern auch in einem anderen Schulalltag resümiert.
„Finde das Talent“ statt „Finde den Fehler“
Thomas Zander ist seit über 6 Jahren Leiter doch schon viel länger Teil dieser Schule. „Hier ist keiner verkehrt“ leitet er das Gespräch über die Arbeit an der Gesamtschule ein und nimmt damit das Wort „Gesamt“ wortwörtlich. „Hier findet mehr als Schulunterricht statt“ sagt er und spricht damit sowohl von außerschulischen Aktivitäten für die Kinder als auch von Beratungsangeboten für die Eltern. Denn viele der Familien aus dem Stadtteil sind noch nicht lang Bewohnende dieses Landes und brauchen somit mehr als den Schulplatz für ihre Kinder. Dafür sind neben dem Lehrkollegium auch Fachkräfte aus der Sonder- und Sozialpädagogik, dem Dolmetschen und der interkulturellen Beratung Teil des 70-köpfigen Teams der Grillo-Schule. Unter ihnen auch Vertreter und Vertreterinnen aus Handwerksberufen und künstlerischen Professionen. Sie berichten aus ihrem Berufsalltag, geben den Kindern Einblick in ihre Tätigkeiten, lassen sie selbst testen und sollen so zur Berufsorientierung beitragen.
Die Kinder und Jugendlichen starten meist im Klassenverbund den Tag mit einem gemeinsamen Frühstück, wofür niemand etwas bezahlen muss und werden auch nach Unterrichtsschluss weiter betreut. Was sie nach ihrem Bildungsweg in Duisburg machen, ist seit Langem im Aufbau. Bislang fehlt es der Herbert-Grillo-Schule an einer eigenen Oberstufe – man hat den Fokus auf die Gestaltung der ersten 10 Schuljahre gelegt. Nach diesen meistern etwa ein Drittel der Schüler und Schülerinnen ihren FOR-Q-Abschluss und würden sicher gerne weiterhin in der Diesterwegstraße zur Schule gehen. „Ein Großteil der Absolvent/innen gehen dann an ein Berufskolleg oder wechseln in die Oberstufe einer umliegenden Gesamtschule“ berichtet Zander. In der Zukunft sollen die Jugendlichen insbesondere in die gymnasiale Oberstufe des benachbarten Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums wechseln können – ein Ziel, welches nur im Bildungsfairbunt.Marxloh, dem Zusammenschluss der Marxloher Schulen, erreicht werden kann.
Miteinander statt gegeneinander
Veränderungen standhalten, Integration meistern und Kindern eine Perspektive geben – das kann eine einzige Schule nicht allein. „Um ein Kind zu erziehen, brauch es ein ganzes Dorf“ zitiert Zander mit Überzeugung ein afrikanisches Sprichwort. Deswegen tut sich die Schule mit Initiativen und Vereinen aus dem Stadtteil zusammen. Von KITA bis Berufseinstieg, von Hausaufgabenbetreuung bis Verpflegung: gemeinsam mit 60 Arbeitsgemeinschaften wird benachteiligten Menschen im Quartier geholfen. Das kollektive Ziel verschweißt die, die mitmachen, zu einem eingespielten Marxloh-Team, das immer wieder neue Ideen konzipiert. So ist 2020 der Bildungsfairbunt in Kooperation mit der Wübben-Stiftung entstanden, in dem sich die Schulen des Duisburger Nordens vereinen.
„Das Beste was uns passieren konnte“
Der Campus-Marxloh soll an das Konzept anknüpfen, was das Team der Herbert-Grillo-Gesamtschule schon lange lebt: Schule trifft Stadtteil. Die Räume sollen für die Arbeit zwischen Schule und Initiativen genutzt werden. Der Technikunterricht der Schule findet dann genauso im Campus statt, wie die Projekte der Jugendberufshilfe, welche die Duisburger Werkkiste schon seit Jahrzehnten im Stadtteil und dann eben dort im Campus betreibt. „Wir haben dann einfach mehr Platz“, resümiert Zander, der in dem Bau des Campus eine neue Wertigkeit für multiprofessionelle Arbeit sieht. An Ideen mangelt es in der Gesamtschule nicht, sondern eher an Personal und Räumlichkeiten. So soll beispielsweise die eigene Schulbibliothek geschlossen und auf dem Campus Marxloh als Stadtteil-Schulbibliothek neu eröffnet werden. „Mit dem Campus bekommen unsere Konzepte so etwas wie eine räumliche Klammer“ beschreibt es der Direktor, „das ist das Beste was uns passieren konnte“.
Zander hätte sich allerdings lieber mehrere Räume an unterschiedlichen Orten gewünscht, als dass alles an einem Platz zusammengelegt wird. „Das konnte förderungstechnisch nicht umgesetzt werden“ erklärt er, aber sieht deutlich mehr Chancen als Hürden durch das Projekt. „Wichtig ist auch, dass wir auch mit den Eltern zusammenkommen und diese über den Campus die Angebote, Chancen und Möglichkeiten des Stadtteils kennenlernen. Die Kinder sind dabei der Schlüssel, um ganze Familien zu erreichen.“
Vom Ansporn, zu helfen
Thomas Zander selbst hat schon immer gerne mit Jugendlichen gearbeitet und sich mit sozialen Themen auseinandergesetzt. „Orte, an denen Menschen leben, denen nicht alles geschenkt wird, ziehen mich irgendwie an“ sagt er und spricht damit von Benachteiligung, Fluchthintergrund und Armut. Mit dem Ansporn, diesen Menschen zu helfen, widmete er sich schon als Jugendlicher der sozialen Arbeit und studierte später auf Lehramt in Köln. Nach der Betreuung auf Jugendfahrten, der Leitung friedenspolitischer Gruppen und der Arbeit internationaler Jugendhilfe ist der ursprüngliche Niederrheinländler 2003 als Lehrer an die Grillo-Schule gekommen. Neben seiner Überzeugung für seinen Job, hat Thomas Zander auch eine musikalische Seite. „Bei Schulfeierlichkeiten greife ich gerne auch selbst zu Gitarre“, sagt er, „klar, bin eben ein Kind aus einer Künstlerfamilie“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Heute ist er fast 7 Jahre im Amt des Direktors, wohnt selbst in Duisburg und hat seinen Ansporn, benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu helfen, noch immer in sich.